Der süd-östlich von Münster gelegene Ortsteil Wolbeck ist in den vergangenen Jahren durch ausgewiesene Neubaugebiete zunehmend gewachsen. Um den steigenden Bedarf an Grundschulplätzen mit Ganztagsbetreuung zu decken, hat die Stadt Münster im Jahr 2016 einen Nichtoffenen Architekturwettbewerb für eine neue zweizügige Grundschule ausgelobt. Mit seinem gut gestalteten und architektonisch kompakten Entwurf überzeugte das Büro Lindner Lohse Architekten BDA aus Dortmund.
Schulneubau als integrativer Bestandteil des Quartiers
Zentrale Planungsaufgabe war es, Pädagogik und Architektur in ein gut funktionierendes Schulgebäude zu übersetzen, das Lernen und Lehren bestmöglich unterstützt. Gleichzeitig galt es, einen Neubau zu entwerfen, der sich auch zum Quartier und für außerschulische Nutzungen öffnet.
Das Schulgrundstück befindet sich im nördlichen Bereich des Stadtteils – westlich des Grenkuhlenwegs und östlich der Middeler Straße – und war bis zur Bebauung landwirtschaftlich genutzte Weidefläche. Der realisierte Entwurf gliedert das Grundstück streifenartig in fünf Funktionsbereiche, die über eine Quererschließungsachse miteinander verbunden sind: Das Vorfeld zum Grenkuhlenweg dient der Erschließung und dem ruhenden Verkehr. Im Bereich des Kreisverkehrs wurde ein mit Bäumen gegliederter Vorplatz geschaffen. Direkt darauf folgt das Schulgebäude, das sich als zweigeschossiger, rechteckiger Kubus in Nord-Süd-Richtung orientiert. Westlich davon erstreckt sich der großzügige Pausenhof, dessen hohe Aufenthaltsqualität maßgeblich vom wertvollen, erhaltenen Baumbestand geprägt wird. An den Pausenhof schließt die eigenständige Sporthalle mit Kleinspielfeld und Laufbahn an. Das verbliebene Restgrundstück im Osten wurde mit einer Kindertagesstätte bebaut. Die Erschließungsachse geht vom Vorplatz durch das Forum und über einen offenen und überdachten Laubengang mit schrägen Stützen zur Sporthalle und verbindet sie so mit der Schule. Durch die freie Zugänglichkeit der Außenbereiche sind die Übergänge zwischen Schule und öffentlichem Raum fließend und es entsteht eine Art erweiterter Stadtraum.
Fassade mit klarer Eingangssituation
Eine angemessene Maßstäblichkeit erhält das Gebäude durch die moderne hellgraue Klinkerfassade, die Bezug auf die Münsteraner Architektur nimmt. Die Fassadenöffnungen sind als lange Fensterbänder in den Kubus eingeschnitten und werden durch blassgrüne Paneelfelder im Bereich der inneren Wandanschlüsse gegliedert. Die Fenster bestehen aus einer Holz-Aluminium-Konstruktion und verfügen über einen außenliegenden Sonnenschutz. Besonders hervorgehoben ist die Eingangssituation der Schule. Durch die Geste des leicht schrägen Einschnitts wird der Eingang einladend formuliert und gleichzeitig ein Vordach ausgebildet. Eine ornamentale Verarbeitung der Klinker an der schrägen Wand akzentuiert die Fassade in diesem Bereich zusätzlich. Für die natürliche Belichtung der Aufenthaltsflächen im Mittelbund sorgen großzügige Sattellichtbänder.
Lerntreppe als Mittelpunkt
Lernen ist heute ganztägig und differenziert. Diese Besonderheit heutiger Schulen spiegelt sich im dreibündigen Grundriss des Neubaus wider. Charakteristisches Merkmal ist die Kompaktheit, die Flexibilität und die klare Strukturierung des Baukörpers, welche räumliche Synergien im Laufe eines Schultags ermöglicht. Das Gebäude empfängt die Nutzer und Besucher in einem offenen und großzügigen Foyer. Zentrales Element hier ist die große Lerntreppe, die einen fließenden Übergang vom Erdgeschoss ins Obergeschoss schafft. Zusammen mit dem um zwei Stufen abgesenkten Forum stellt sie ein multifunktionales Raumangebot dar.
Die große offene Treppe ist Dreh- und Angelpunkt des Schullebens und vielfältig bespielbar. Sie kann von den Schülerinnen und Schülern zum Lernen, als Aufenthaltsbereich in den Pausen, als Tribüne oder im Rahmen öffentlicher externer Veranstaltungen durch die Bewohnerinnen und Bewohner des Quartiers genutzt werden.
Nach Bedarf können Forum und Treppe zudem noch räumlich erweitert werden: So ist der angrenzende Musikraum über eine mobile Trennwand flexibel zuschaltbar.
Dreibündige Grundrissorganisation
Nahe dem Haupteingang und somit in guter Erreichbarkeit befinden sich die Verwaltung sowie die Räume für die Lehrer und die Schulleitung. Im südlichen Bereich des Gebäudes ist der Ganztagsbereich mit der Küche, dem Speiseraum und den verschiedenen Betreuungsräumen integriert. Bei schönem Wetter können die Kinder von dort direkt auf ihre Terrasse. Der Unterricht findet in den als Lerncluster organisierten Unterrichtsräumen im Obergeschoss statt. Jeweils zwei Klassenräume sind hier mit einem dazwischenliegenden Differenzierungsraum verbunden. Die Flure sind galerieartig erweitert, sodass sich die Schülerinnen und Schüler hier oder auf der angrenzenden Treppe individuelle Aufenthaltsorte zum Lernen, Spielen oder Erholen suchen können. Dieses räumliche Konzept fördert das selbstbestimmte Lernen und die individuelle Entwicklung der Kinder. Natürliches Licht über Oberlichter, Blickachsen und Lufträume lassen eine atmosphärisch stimmige Lernumgebung entstehen. Der Mittelbund ist der Erschließung sowie den Nebenräumen wie Sanitäranlagen und Technikräumen vorbehalten. Die Barrierefreiheit ist durch den zentral platzierten Aufzug hergestellt.
Sichtbeton und Holz kombiniert
Der kompakte Baukörper mit ressourcenschonender Bauweise ermöglichte eine hochwertige Gestaltung mit ausgewählten und robusten Materialien innerhalb des vorgegebenen Kostenrahmens. Realisiert wurde eine zweischalige Massivkonstruktion mit kiesbedecktem Flachdach. Das Innere des Gebäudes wird geprägt durch die Materialien Sichtbeton und Holz. Die Wände der Verkehrsflächen sind in Sichtbeton, der Boden mit Lamellenparkett und großformatigen keramischen Platten in den Hauptverkehrswegen ausgeführt. Aus dem natürlichen Werkstoff Holz bestehen weiterhin Einbaumöbel, Türen und die Lerntreppe sowie partielle akustisch wirksame Wandbeläge. Die natürliche und helle Materialwahl erzeugt in den Innenräumen eine moderne und zugleich warme Atmosphäre, in der sich die Schülerinnen und Schüler wohlfühlen können. Wenige Farbakzente unterstreichen die kindgerechte und entwicklungsfördernde Gestaltung. Die Klassenräume haben jeweils ein dezentrales Lüftungsgerät erhalten.
Sporthalle für Schul- und Vereinssport
Die neue Einfach-Sporthalle samt Kleinspielfeld und Laufbahn vervollständigt den Schulkomplex und steht sowohl dem Schul- als auch dem öffentlichen Vereinssport zur Verfügung. Das Gebäude ist logisch gegliedert. Der hohe Hallenkörper wird U-förmig von den niedrigen Nebenraumbereichen umfasst. Hier sind neben den Umkleide- und Sanitärbereichen auch die Räume für die Heizung und die von außen zugänglichen Pausen-WCs untergebracht. Wie das Schulgebäude besteht der Baukörper aus einer zweischaligen Massivkonstruktion mit Klinkern. Eine Dachkonstruktion aus schlanken Holzbindern überspannt die Einfeldhalle. Im Inneren sind die Wände in Sichtbeton ausgeführt, die Prallwand besteht aus horizontalen, akustisch wirksamen Holzlamellen. Als Bodenbelag kamen in den Nebenräumen und Fluren keramische Platten und in der Halle ein flächenelastischer Sportboden mit Linoleumbelag zum Einsatz. Über eine großzügige verglaste Pfosten-Riegel-Konstruktion in der Westfassade fällt natürliches Licht in den Raum. Der geschlossene Sockelbereich ist mit Faserzementtafeln als vorgehängte, hinterlüftete Fassade ausgeführt. Lamellenfenster und Oberlichter in der Halle dienen der Querlüftung und sorgen für angenehme Temperaturen in den Sportstunden.
2023 wurde die Grundschule Wolbeck-Nord mit dem Schulbaupreis Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Als besondere Qualität hob die Jury die ausformulierte Klarheit des Gebäudes hervor, die eine einfache Orientierung, Sicherheit und Vertrauen schaffe, auf Langlebigkeit setze und eine pädagogische Ermöglichungskultur berücksichtige.